Herausforderungsfahrt: Zu Fuß und mit wenig Geld, eine etwas andere Klassenfahrt

Eine Woche lang wanderten 16 Schüler (10 bis 17 Jahre alt) und vier Erwachsene, von der Freien Schule Leipzig in Leipzig Grünau bis zur Burg Lohra im Harz. Das Ziel war es, mit so wenig Geld wie möglich, die Strecke hinter sich zu legen und notfalls noch Geld durch Straßenmusik zu verdienen. Jeder trug seine Sachen in einem Rucksack, Proviant und zwei Musikinstrumente wurden in einem Handwagen transportiert. Es hieß, draußen schlafen, über freiem Feuer zu kochen, den ganzen Tag zu wandern und natürlich jede Menge Spaß haben.

Von der Schule aus laufen wir los. Rechts und links sind die Straßen von grauen Plattenbauten gesäumt. Die Sonne scheint und die Laune ist gut. Es ist der richtige Tag um eine Wanderung zu beginnen. Doch schon nach 500 Metern haben wir die erste Panne. „Das war ja klar, dass der Griff nicht hält…- seufze ich. Die selbst gemachte Griffverlängerung unseres Wagens ist hin. Alex und Theo gehen zurück, um den Griff zu reparieren. Doch schon bald verlassen wir Grünau und wandern entlang des Elster-Saale-Kanals. „Dürfen wir hinrennen?“ Ein paar Jungs laufen vor, ziehen sich die  Schuhe aus und kühlen ihre Füße im Fluss. Den Wagen, wo sich unser Essen, Trinken, Töpfe, eine Harfe und eine Gitarre befinden, tragen wir runter.

Nach zehn Kilometern lässt langsam die Kraft nach. „Wann sind wir da?“ In Kleinliebenau beschließen wir zu übernachten und am nächsten Tag weiter zu laufen. Eine kleine Gruppe von Kindern geht ins Dorf um nach Wasser zu fragen. Wir klingeln an einigen Häusern, keiner da. Schließlich treffen wir eine Pilgerfrau vor der Pilgerkirche. „Entschuldigung! Wir sind eine Gruppe von 20 Leuten und wir wandern zu einer Burg im Harz. Unser Ziel ist es so wenig Geld wie möglich zu brauchen. Können wir hier unsere Wasserflaschen auffüllen?“ Die ehemalige Grundschullehrerin ist begeistert. Während das Wasser in die Flaschen plätschert, erzählen wir über unsere Schule, an der wir selbst entscheiden können wann, wo, wie, was und mit wem wir lernen wollen.

Inzwischen haben die anderen auf einer Wiese das Dreibein aufgebaut, der Topf hängt über dem Feuer und das Gemüse brutzelt schon. Ein Duft kommt uns entgegen, der uns daran erinnert, dass wir einen Bärenhunger haben. Wir sitzen ums Feuer und essen, danach singen wir, bis am Himmel die Sterne leuchten. Unsere erste Nacht: Wir schlüpfen erschöpft in unsere Schlafsäcke und schlafen unter freiem Himmel.

Lehrer mit Kind singt auf Wiese
Gemeinsames Singen am Lagerfeuer

Mit der Sonne  wachen die ersten auf. Es ist eiskalt, alle haben schlecht geschlafen. Wir machen  Feuer  und suchen ein paar Kräuter, um Tee zu kochen. Zum Frühstück gibt es frisch gekochten Haferbrei, den es von nun an jeden Morgen geben wird. Unsere Schüsseln säubern wir nach dem Essen mit Gras, rollen unsere Schlafsäcke ein und packen alles zusammen.

Klassenfahrt durch Wald bei Regen
Wenn die Klassenfahrt bei Regen durch den Wald geht

Wir laufen auf dem Jakobsweg durch einen Wald. Immer wieder liegen umgekippte Bäume im Weg und wir müssen mit dem Wagen einen Umweg fahren. Schließlich fängt es auch noch an zu nieseln. Wir ziehen unsere Regenjacken an und packen die Rucksäcke regensicher ein. Damit der Wagen nicht nass wird, hat Alexander eine ganz besondere Idee. Wir spannen die Plane darüber. An jeder Ecke hält einer sie fest, so können  auch noch Kinder darunter laufen. Gesagt, getan. Nur ganz so klappt es nicht, weil der Wind sie immer wieder wegreißt. Glücklicherweise scheint die Sonne  bald wieder,  was sich auch positiv auf unsere Stimmung auswirkt, bis die ersten Blasen an den Füßen auftauchen.

Zudem ist es heiß geworden. An dem See, an dessen Ufer wir entlang laufen, ist es staubig wie in der Wüste. „Ich kann nicht mehr! Meine Füße tun weh!“ Die Hälfte der Gruppe möchte nicht mehr weiter laufen. „Können wir nicht bis zum nächsten Dorf und da einen Schlafplatz suchen?“ Julius würde gerne heute noch bis Merseburg laufen, aber wir stimmen ab und laufen danach nur noch bis zum nächsten Dorf. Auf der Suche nach Wasser, erleben wir diesmal Frust: meistens macht niemand auf oder wir bekommen Ablehnung. Schließlich haben wir doch Glück für eine geringe Spende und Saubermachen dürfen wir eine Nacht in einer kleinen Pilgerherberge übernachten. Nach der letzten eisigen Nacht draußen, nehmen wir dies gerne an und freuen uns auf eine kuschelig warme Nacht und auf eine heiße Dusche.

Ausgeschlafen geht es am nächsten Morgen weiter nach Merseburg, wo ich  mit  der Harfe in einer halben Stunde 25 Euro für die Gemeinschaftskasse einspiele. Danach beschließen wir ein kleines Stück mit dem Bus aus der Stadt zu fahren. Der Busfahrer  kennt einen besonders schönen Ort auf einem Berg, zu dem er uns außerfahrplanmäßig (!) bringt. Die Aussicht über den blühenden Kirschbaumhang in ein kleines Dorf ist atemberaubend schön.

Während der Klassenfahrt Geld einspielen
Während der Klassenfahrt Geld einspielen

Am nächsten Morgen  treffen wir im ersten Dorf einen netten Mann, der uns zu sich einlädt. Wir füllen unsere Wasserflaschen auf, bekommen Süßigkeiten und heiße Schokolade. Am liebsten würden wir gleich hierbleiben, aber wir müssen weiter, wir haben noch einiges an Weg vor uns. Kaum sind wir losgelaufen, hat unser Wagen einen Platten. Einige gehen zurück  ins  Dorf um das Rad zu flicken, denn Flickzeug hat niemand mitgenommen. Als sie zurück sind, geht unsere Reise weiter durch Wälder, Dörfer und  bis zu einem Rapsfeld, an dem unser nächster Schlafplatz sein wird.

Am nächsten Tag  erreichen wir  die Unstrut  an der wir eine  Weile  auf dem Damm laufen. Zum Zeitvertreib singen und erzählen wir. Sobald wir in Artern ankommen, folgt eine Diskussion wie es weitergehen soll. „Wollen wir hierbleiben, oder mit dem Bus weiter fahren?“ Unsicherheiten tauchen auf: „Dort wissen wir nicht wo wir schlafen können und wo es etwas am Sonntag zum Einkaufen gibt?“ Die Argumente fliegen nur so hin und her. Wir stimmen ab: diesmal ist es unentschieden. Es dauert eine weitere halbe Stunde bis wir uns entscheiden die Nacht in Artern  zu verbringen und am nächsten Tag mit dem Zug bis zur Burg Lohra zu fahren. Erst mal gehen wir einkaufen und nach Wasser suchen. Dabei treffen wir drei junge Leute, die gerade ihr Kofferraum mit Bier vollladen und sich darüber wundern, dass wir „-Wasser saufen und nicht Bier“. Sie sind sehr nett und bieten uns an, bei ihrem Opa im Garten zu übernachten oder am nächsten Morgen mit dem Müllauto ein Stück weiter zu fahren. Da wir aber so viele sind, folgen wir ihrer Empfehlung im Park direkt an der Unstrut zu übernachten. Wir spannen eine Plane zwischen den Bäumen auf, denn es  fängt  wieder mal an zu nieseln. Ein letztes Mal essen wir draußen Abendbrot, unter der Plane ist es die ganze Nacht schön warm und trocken, so dass am nächsten Morgen alle ausgeschlafen sind.

Den letzten Tag unserer Wanderung verbringen wir hauptsächlich im Zug. Die letzten 10 Kilometer Fußmarsch zur Burg führen uns bergauf. Der Anstieg mit dem Wagen ist anstrengend. Als wir an der Burg ankommen sind alle ziemlich erschöpft.

Endlich geschafft!

Wir sind froh endlich angekommen zu sein, aber keiner von uns hat das Gefühl, dass wir am Ende unserer Wanderung sind. Es hätte noch weiter so gehen können, denn in den wenigen Tagen haben wir eine Menge zusammen erlebt. Obwohl wir vorher wenig miteinander zu tun hatten, sind wir hier zusammengewachsen. Am liebsten würden wir uns gar nicht mehr trennen…

Text von Anika Piontek – „Herausforderungsfahrt: Zu Fuß und mit wenig Geld, eine etwas andere Klassenfahrt“

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© Anika Piontek

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