Sexualität bei Kindern: Triebtheorie nach Freud

Ödipus, Schnödipus, Hauptsache, du hast die Mama lieb! – Was ist „normal“ und was ist Perversion, was beeinflusst unser Sexualverhalten? Der Wiener Sexualforscher, Arzt und quasi Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud publizierte 1904 bis 1905 das Werk Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie. Darin schloss er sich der These an, dass Kinder von Geburt an Sexualäußerungen zeigen – unabhängig von Ihrer sexuellen Unreife. Diese Lehren von Freud zur Sexualität bei Kindern sind umstritten, allerdings bis heute ein viel behandeltes Thema. Triebtheorie kurz erklärt: Dieser Beitrag im socko Familienratgeber beschreibt die Triebtheorie nach Freud und geht auf den Begriff der infantilen Sexualität mit seinen verschiedenen Phasen ein. Außerdem: Wer ist eigentlich dieser Ödipus, der seinen Vater erschlug, seine Mutter heiratete und was für Komplexe hatte dieser, die die Menschheit heute noch tyrannisieren: Der Ödipus-Komplex einfach erklärt.

 

Frühkindliche Sexualität: Triebtheorie nach Freud

Um das Thema zunächst wissenschaftlich anzugehen: Was ist die Triebtheorie überhaupt, was sagt die Triebtheorie aus und woher stammt der Begriff? Weiter unten im Beitrag könnt Ihr mehr zu den einzelnen Phasen der psychosexuellen Entwicklung von Kindern, der Kritik an der Triebtheorie von Freud sowie dem allgegenwärtigen Begriff des Ödipuskonfliktes beziehungsweise des Ödipus-Komplexes oder des Vaterkomplexes lesen. Triebtheorie als Begriff umfasst eine ganze Reihe von verschiedenen Theorien aus der Psychologie und Psychoanalyse. Die Triebtheorie von Freud (auf Englisch: Freudian drive theory, instinct theory; manchmal auch Trieblehre) basiert auf der Annahme, dass menschliches Verhalten von Kräften bestimmt ist, die auf somatische Triebquellen zurückzuführen sind und eine dranghafte Verhaltensweise zur Folge haben. Aus dieser Annahme entwickelte Freud die Theorie, dass menschliche Charakterzüge eine Mischung aus triebhaften Wünschen und Verboten sind, die diese Wünsche eindämmen. Schamhafte Erlebnisse nehmen weiterhin Einfluss auf den Charakter. Diese Erlebnisse entstehen beispielsweise beim Kind, wenn das Verhalten, das durch triebhafte Wünsche hervorgerufen wird, auf elterliche Verbote und die Zwänge sozialer Normen trifft.

 

Was sind Triebe? Sigmund Freuds Psychoanalyse

Freud unterscheidet bei seiner Triebtheorie zwischen verschiedenen Trieben. Die Primärtriebe, die von Geburt an bestehen, sind zur Erhaltung des Lebens notwendig. Zu ihnen zählen das Bedürfnis nach Nahrung, Wasser und Schlaf, sowie auch die Sexualität. Innerhalb der ersten zwei Lebensjahre entwickeln sich gemäß der Theorie die Sekundärtriebe, wie das Bedürfnis nach Sicherheit und Anerkennung. Freud betrachtet die Triebe als Kräfte des Seelenlebens, die aus biologischen Quellen innerhalb der Person stammen. Freud zu Folge ist das Handeln gemäß der Triebe ohne Rücksicht auf die Außenwelt ein Bestreben des Menschen, das er als Lustprinzip bezeichnet. Diesem entgegen steht das Realitätsprinzip, das die Triebabfuhr nur im Rahmen der Anforderungen der Umwelt ermöglicht. Weiterlesen: Kritik an Freuds Triebtheorie oder Ödipus-Komplex kurz erklärt oder Was ist eigentlich ein Vaterkomplex?

 

Infantile Sexualität: Phasen der psychosexuellen Entwicklung

In der psychoanalytischen Theorie wird bis heute vom Begriff der infantilen Sexualität gesprochen, der eine wesentliche Rolle in der klassischen Psychoanalyse spielt. Dabei ist die Sexualität des Menschen von der Geburt bis zur Pubertät und deren Auswirkung auf die psychische Entwicklung gemeint. Freud bezeichnet die einzelnen Entwicklungsschritte in seiner Theorie über die Sexualität bei Kindern nach dem Vorbild erogener Zonen. Die Phasen der psychosexuellen Entwicklung werden nach Freud durch das Vorherrschen bestimmter erogener Zonen gekennzeichnet. Der Sexualwissenschaftler nennt diese in seinen Werken Lustzentren.

  • orale Phase: Diese findet im Säuglingsalter und im Kleinkindsalter statt und stellt die primitivste Stufe der psychosexuellen Entwicklung dar. Die orale Phase dauert etwa bis zum zweiten Lebensjahr an. Der Mund dient in dieser Phase, zum Beispiel durch Saugen oder Nuckeln, als primäre Quelle der Befriedigung. Menschen behalten sich diese Fähigkeit zum Lustgewinn bei. Das zeigt sich später beispielsweise durch den erotischen Reiz bei einem Kuss.
  • anale Phase: Diese Phase der psychosexuellen Entwicklung findet circa vom zweiten bis dritten Lebensjahr statt. Kinder erhalten in der analen Phase durch das Ausscheiden und Zurückhalten ihrer Exkremente Befriedigung. Diese Phase dient dem Erlernen von Konfliktfähigkeit und des sozialen Miteinanders. Sie trägt zur Reinlichkeitserziehung beziehungsweise Sauberkeitserziehung, also dem Versuch, Kleinkinder zu fördern, die Toilette oder die Topf zu benutzen, bei. Je nachdem, wie mit dem Kind von den erziehenden Personen in dieser Zeit umgegangen wird, kann es zu Konflikten kommen. Ungelöste Probleme führen unter Umständen zu einer Ausbildung eines analen Charakters. Dieser ist durch Pedanterie, Geiz sowie übertriebeben Ordnungssinn ausgeprägt.
  • phallische Phase / ödipale Phase: Diese Phase dauert bei kleinen Kindern etwa vom dritten bis zum fünften Lebensjahr und widmet seine Aufmerksamkeit der Erforschung des eigenen Körpers. Durch Stimulation und Berührung der Klitoris oder des Penis werden diese Erfahrungen vorwiegend in der phallischen beziehungsweise ödipalen Phase gemacht. Die Triebwünsche werden sich nach Freud in dieser Zeit durch Begehren des gegengeschlechtlichen Elternteils äußern. Sigmund Freud geht von einem Konflikt aus, der sich durch dieses Begehren ergibt. Den benannte er nach der Figur des Ödipus aus der Tragödie König Ödipus von Sophokles. Verläuft diese Phase ungünstig, so kann dieser Konflikt bestehen bleiben, wenn sich das Kind vom geliebten Elternteil nicht loslösen kann. Bei diesem unüberwundenem Ödipuskonflikt spricht man vom sogenannten Ödipus-Komplex. Dabei richtet das Kind unbewusst seine sexuellen Wünsche auf den Elternteil des entgegengesetzten Geschlechts und empfindet gleichzeitig Hass und Eifersucht dem anderen, gleichgeschlechtlichen, Elternteil gegenüber. Die Folgen eines nicht überwundenen Ödipuskonfliktes sind laut Freud: Liebesunfähigkeit oder Nichtbejahung der eigenen Geschlechterrolle
  • Latenzperiode: Diese Phase findet etwa vom fünften bis zum elften Lebensjahr statt. Dieser Zeitraum widmet sich dem Erkunden der Umwelt und dem Erlangen von Fähigkeiten, wodurch das Kind Befriedigung erhält. In dieser Zeit lernt das Kind auf Lustbefriedigung zu verzichten und diese zu verschieben, beziehungsweise in einer andern Form umzusetzen. Die Sexualität wird in dieser Phase verdrängt und weicht Dingen, wie dem Spielen mit Geschlechtsgenossen. Die sexuelle Energie wird produziert, aber in soziale Beziehungen und den Aufbau einer Abwehr gegen die Sexualität investiert.
  • genitale Phase:  Ab circa dem zwölften Lebensjahr beginnt die genitale Phase. Die Sexualität – im Sinne des Sexualtriebes (Libido) – bekommt in dieser Zeit durch den Einfluss der Sexualhormone eine neue Bedeutung. Die Sexualität dient nun nicht mehr nur der Lustbefriedigung, sondern auch der Fortpflanzung und Sexualobjekte werden außerhalb der Familie gesucht.

 

Nicht mehr zeitgemäß? Kritik an Freuds Triebtheorie

Aus moderner Sicht wurde die Triebtheorie von Freud häufig kritisiert. Freuds Lehren zur Sexualität bei Kindern sind umstritten. Sigmund Freuds Psychoanalyse zur Sexualität bei Kleinkindern und Sexualität bei Kindern wird heute als durchaus kritisch betrachtet. Schon bald wandt sich eine Gruppe von Kritikern um Harald Schultz-Hencke gegen die Annahme, dass ein Kind in den ersten Lebensmonaten nur von primären, lustvollen Bedürfnissen geleitet ist und entwickelten eine Theorie, der Zufolge nach der Geburt eine komplexe Lebensweise zu erkennen ist, die Zärtlichkeit, primäre Bindung und Liebe ausdrückt. Auch von anderer Seite sind Aspekte der Triebtheorie kritisiert und überarbeitet worden. So betrachtet der Psychoanalytiker Heinz Kohut die Triebhaftigkeit als Produkt der Desintegration eines Selbstsystems, das sich nicht auf normale Weise entwickeln kann.

 

Was ist das? Der Ödipus-Komplex kurz erklärt

Lacan, Fromm, Mitscherlich – viele Psychoanalytiker behandelten dieses Thema. Sigmund Freud machte in seiner Lehre eine zentrale Säule aus der Legende, der griechischen Sage. Der Ödipus-Komplex nutzte Freud 1910 als Begriff zum ersten mal, um seinem psychoanalytischem Konzept einen Namen zu geben. Der Name passt sehr gut, vor allem, um einen Vaterkomplex zu beschreiben. Dabei nimmt er Bezug auf die griechische Mythologie, hier: die Figur des Ödipus aus dem Drama König Ödipus von Sophokles. Zunächst kurz zur Begriffsherkunft des Ödipus-Komplexes beziehungsweise des Ödipuskonfliktes: In der Sage meuchelt die Figur des Ödipus seinem Vater und heiratet dann seine Mutter. Er blendet sich zur Strafe selber, als er erkennt, was er getan hat. Sigmund Freud übernahm diesen Namen aufgrund seines passenden Ursprungs für seine Lehre. Ödipuskonflikt einfach erklärt beziehungsweise Ödipus-Komplex einfach erklärt sieht am Beispiel des Namensgebers der Theorie etwa so aus:

Der Sohn möchte den Vater als Rivalen ausschalten, weil er die Mutter begehrt. Der Sohn weiß aber genau, dass er das nicht darf. Deshalb greift er zur Projektion. Er unterstellt seinem Vater Rachegelüste, die in der Kastration enden.

Bereits die Bibel warnt vor der Blutschande. Laut Freud ist dieser Konflikt die Herausforderung der Familie, den Konflikt zu beenden beziehungsweise zu überwinden. Der Konflikt soll darin enden, dass das Kind auf den Inzestwunsch verzichtet den Vater nicht mehr als Rivalen sieht. In einer Ödipus-Komplex Therapie überträgt der Patient seinem Psychoanalytiker die „Rolle des Vaters“, nur, dass dieser Ihn nicht kastriert. Das Ziel ist dabei, dass die Angst weicht und der Patient geheilt ist, damit er seine Libido, also den Sexualtrieb, in ein Objekt der Begierde investieren kann. Aus dem „Feind“ soll ein Vorbild werden, dem das Kind nachzueifern versucht. Inzwischen hat sich die Psychoanalyse jedoch verändert. Die frühkindliche Bindung des Kindes an die Mutter oder auch den Vater zählen als normaler Entwicklungsschritt und gehen nicht mehr mit Kastrationsängsten und Mordgelüsten daher. Also keine Angst beim Definieren der Mutterrolle, ein alter jüdischer Witz sagt:

Ödipus, Schnödipus, Hauptsache, du hast die Mama lieb!

Der Ödipus-Komplex wird als Begriff in vielen Bereichen im Alltag ohne direkten Zusammenhang angewendet. Häufig auch Ödipuskonflikt oder Ödipus-Syndrom genannt. In der Tat ist die Deutung der Sexualität bei Kindern von Freud eher verwirrend. Nach heutiger Auffassung gibt es nicht die Aufteilung in Phasen bei der Entwicklung, vielmehr einzelne Situationen, die einen oralen, ödipalen oder anderen Charakter haben und ineinander verwoben sind. Paare, also „erwachsene Kinder“, stellen gern Beobachtungen fest, wenn sie länger ein Paar waren und die ganze Geschichte plötzlich nicht mehr funktioniert. Hierbei werden unbewusste Konkurrenzsituationen und Verbote aktiviert. Um das Ödipus-Syndrom auszuweiten: Beim Vaterkomplex sprechen wir vor allem von Frauen – dieser soll einen großen Einfluss auf die Wahl des Partners haben.

 

Vaterkomplex: Was ist das?

Carl Gustav Jung ist der Begründer der analytischen Psychologie. Der Begriff Vaterkomplex ist aus seinen Studien abgeleitet. Den Vaterkomplex kann man als weibliches Gegenstück zum Ödipus-Komplex betrachten. Auch hierbei geht es um die Idealisierung des gegengeschlechtlichen Elternteils sowie die Feindseligkeit gegenüber des gleichgeschlechtlichen Elternteils. Dieses Bild projizieren Frauen unterbewusst auf Männer, die sie umgeben. Vaterkomplex einfach erklärt: Der Mangel an Zuwendung in der Kindheit schlägt sich auf die spätere Partnerwahl nieder. Hierbei werden ältere Partner oder Partner, die dem Vater ähneln bevorzugt. Jedoch ist auch dieser Begriff kritisch zu betrachten und nicht alle Wissenschaftler, die sich mit diesem Thema befassen, teilen diese Meinung. Vaterkomplex als Begriff bedeutet nichts krankhaftes, er definiert Vorstellungen und Gefühle, die in der Kindheit geprägt werden und zeigt mögliche Auswirkungen auf das spätere Denken und Handeln auf, die das Leben einer Frau prägen. Bei Jung wird der Vaterkomplex im Sinne des Ödipuskomplex auch Elektrakomplex genannt. Der Begriff Elektrakomplex wurde von Carl Gustav Jung 1913 in seinem Werk Versuch einer Darstellung der Analytischen Theorie erstmals öffentlich eingeführt. Die Herleitung des Begriffes Vaterkomplex lässt sich am Beispiel der Namensentstehung (Elektrakomplex) gut darstellen:

Aus Rache dafür, dass Agamemon, der Vater der beiden Geschwister und früherer Ehemann Klytaimnestras, ermordet wurde, half die Sagengestalt Elektra, aus der griechischen Mythologie, ihrem Bruder Orest dabei, ihre Mutter Klytaimnestra sowie ihren Stiefvater Aigisthos zu ermorden.

Freuds Denkansatz zu dieser Theorie basiert auf der Annahme eines „Penisneids“. Die Tochter wirft dabei der Mutter vor, sie mit diesem Mangel geboren zu haben. Dabei wendet sich die Tochter von der Mutter ab und dem Vater zu. Dieser Ansatz in der Psychoanalyse von Freud wird jedoch gerade von großen Teilen der feministischen Forschung als kritisch angesehen. Dabei wird diesem Denkansatz vorgeworfen, dass vor allem die historisch-gesellschaftliche Bedingtheit der Familienkonstellation nicht ausreichend reflektiert wird, die seinen Überlegungen zugrunde liegt. In seinen Artikel Über die weibliche Sexualität von 1931 verwirft Freud, die Vorstellungen von Jung bezüglich eines Elektrakomplexes. Die Vaterbindung wird von Frauen seiner Meinung nach niemals überwunden. Er stellt dar, dass lediglich Jungen, also männliche Kinder, diesen Rivalitätshass gegenüber dem gleichgeschlechtlichen Elternteil aufbauen und nur bei Jungen diese Beziehung durch den Kastrationskomplex unter geht, da sich die weibliche Form des Ödipuskonfliktes deutlich vom männlichen unterscheidet. Der weibliche Ödipus-Komplex wird durch den Kastrationskomplex erst geschaffen, wobei der männliche Ödipus-Komplex durch den Kastrationskomplex zerstört wird.

Ein anderer Denkansatz ist die Bindungstheorie von John Bowlby, Mary Ainsworth und James Robertson. Ziel der Arbeit an der Bindungstheorie war es, die Wirkungen von Familieneinflüssen auf die kindliche Entwicklung zu untersuchen.

Auf dem Weg zur Supermama sind solche theoretischen Beiträge sicher interessant. Dieser Artikel ist noch ausbaufähig und wir würden außerdem gern anonyme Fallbeispiele von Familien veröffentlichen. Habt ihr interessante Anregungen, Ideen oder ist euch bei Menschen in eurer Umgebung etwas zu diesem Thema aufgefallen? So schreibt uns bitte per E-Mail oder Post, ihr findet im Impressum die Adresse.

 

Und wer war eigentlich dieser Sigmund Freud?

Der österreichische Tiefenpsychologe, Neurologe, Kulturtheoretiker sowie Religionskritiker Sigmund Freud wurde 1856 in Freiberg in Mähren geboren und gilt als Begründer der Psychoanalyse. Darüber hinaus gilt er als einer der einflussreichsten Denker des 20. Jahrhunderts. Er verstarb 1939 in London durch Sterbehilfe nach einer schweren Krebserkrankung. Der Wikipedia-Artikel zu Sigmund Freud stellt alle Details von ihm ausführlich dar.

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